Leserbriefe
verfasst im Jahr 1981
Leserbrief: Sekundenschnelle Entscheidungen
Die Fußball-Schiedsrichter
tragen eine große Verantwortung
Unsere Zeit ist erschreckend schnellebig
geworden. Was gestern noch selbstverständlich, kann heute
bereits unmodern sein und morgen längst vergessen. Im
Zeitalter der Technisierung, der Mechanisierung und Automation
ist es üblich geworden, nur noch die Leistung als einzigen
Maßstab gelten zu lassen. Der Mensch wird nur noch nach
dem bewertet, was er augenblicklich leistet. Werte, die früher
zu einem Menschen gehört haben, finden keine Beachtung
mehr. Auch ein Spitzen-Schiedsrichter wird sich nur behaupten
können, wenn er ständig die Leistung bringt; die
man von ihm erwartet. Kann er sie nicht mehr bringen, wird
er abgeschrieben bzw. er muß absteigen.
Gelegentlich gibt es Vorschläge, Profi-Schiedsrichter
einzuführen, um die Leistungen zu steigern. Glaubt denn
im Ernst einer, daß mit Geld oder hoher Bezahlung dieses
Ziel zu erreichen sei? Ich meine nein! Bei der WM 1970 in
Mexico, leitete der Unparteiische Jamasaki aus Peru, ein Profi,
das denkwürdige Spiel Italien gegen Deutschland im Halbfinale,
nach Verlängerung 4:3 für Italien. Unvergessen bleibt,
wie Uwe Seeler in den letzten Minuten im Strafraum von hinten
festgehalten wurde. Alle Zuschauer im Stadion und Millionen
am Bildschirm warteten auf die Strafstoßentscheidung
des Berufs-Schiedsrichters Jamasaki aus Peru. Nur dieser gute
Mann wollte Vorteil gesehen haben. Vorteil im Strafraum ist
nur zu geben, wenn der Schütze vor dem leeren Tor steht
und nicht, wie im Italienspiel, um den Ball gekämpft
wurde.
Von einem guten Schiedsrichter wird verlangt,
daß er über eine genaue Regelkenntnis verfügt,
daß er die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit
bringt und dem Spielgeschehen rasch folgen kann. Das Spiel
muß sauber und sportlich sein. Alles, was dagegen verstößt,
ist unsportlich. Das zu erkennen und mit der entsprechenden
Regelbestimmung in Einklang zu bringen, ist Aufgabe des Schiris.
Menschenkenntnis sowie die persönliche Einstellung und
Anpassungsvermögen, dazu noch die außergewöhnlich
schnelle Reaktion, ergeben erst den guten Unparteiischen.
Kein Schiedsrichter geht aufs Spielfeld, um vorsätzlich
Fehlentscheidungen zu treffen.
Es ist eine Selbstverständlichkeit,
daß, wo Menschen amtieren, auch Fehler begangen werden.
Ich betrachte die Fernsehreporter, diese Dauerredner mit dem
Halbregelwissen, dem Fußball in seiner Gesamtheit nicht
dienlich. Unvergessen sind Dr. Paul Laven, Rudi Michel sowie
der gelegentlich noch eingesetzte Rolf Kramer. Alles Fachexperten
"par excellence."
Grundsätzlich gilt, daß bei Handspiel
nur die Absicht bestraft werden darf. Bei einer Abseitsstellung
nur der ins Spiel eingreifende - also der aktive Spieler -
abgepfiffen wird. Spieler, die weit vom Ball, also vom Spielgeschehen,
entfernt sind, sind passiv. Hier darf nicht gepfiffen werden,
weil diese Spieler nicht ins Spiel eingreifen. Bezüglich
Foulspiel, gefährliches Spiel oder Vorteil geben, liegt
die schnelle Entscheidung im Ermessen und Fingerspitzengefühl
des erfahrenen Schiedsrichters. Er soll bezüglich Zuschauerlärm
nicht zu dünnhäutig beschaffen sein, sondern über
ein dickes Fell verfügen.
Die älteren Zuschauer sollten eigentlich
für die Jungen so eine Art Vorbildfunktion ausüben.
Nicht selten fallen beleidigende Zurufe in Richtung Schiedsrichter
und Linienrichter, die unter der Gürtellinie einzustufen
sind. Hier muß der Platzordnungsdienst energisch einschreiten
und wenn es sein muß, ganz auf solche Fanatiker verzichten.
Das Benehmen der Spieler gegen Schiedsrichter und Gästespieler
geht immer auf die Herrn zurück, die den Verein führen.
Zu meiner Freude kann ich feststellen, daß
seit über 40 Jahren Sportkameraden - in welcher Funktion
auch immer - an der Spitze des FC Penzberg standen, die nie
autoritär geführt haben. Sie waren jedoch immer
Autorität.
Karl Wald, Penzberg
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